Mittwoch, 29. Februar 2012

DON - The German Gay Magazine 1972 (Heft 9 bis 12)


DON 9/72 erscheint im September 1972.

Man registriert den 5. Verlags = Herausgeber-Wechsel des Jahres 1972:

Bifipress AG, 6000 Frankfurt 70, Postfach 700 229 und - gleichbleibend - HF-Druck, D-61 Darmstadt, Kleyerstrasse, der für die Druckerei Henry Ferling steht. Deren Inhaber Henry Ferling ist möglicherweise schon jetzt an dem Objekt beteiligt; er wird es mit Ausgabe 1/1974 ganz übernehmen. Wobei - wie schon früher erwähnt - alle diese Kleinstfirmen - à la Bifipress AG - einen einzigen Inhaber hatten: Günter Goebel.

Gleichbleibend die Redaktionsleitung: Guy Gilbert = Günter Goebel und John Mytery möglicherweise Hans Möstl (?), Frankfurt/Main (Details bei DON 2/1972) und die Redaktionsanschrift: DON-Redaktion, c/o Bifipress AG, 6000 Frankfurt 70, Postfach 700 229.

Titelfoto (natürlich von) TOM men's shop, Zürich (Details bei DON 7/1972).


Links: Da man eine "Reportagefahrt" machte und wegen der "Festtage" (welche Festtage bietet der August?) kann eine komplette Heftseite nur mit einem Riesen-Briefumschlag und einer (unbeantworteten) 17-zeiligen Leseranfrage bestückt werden. Zur Erinnerung: Das Magazin kostete damals "satte" 6,- DM

Rechts: Da es niemanden gibt, der sich in der Redaktion des Homo-Magazins mit dem Thema Homosexualität auskennt, muss erneut ein Artikel (Homosexualität besteht nicht) aus dem schwedischen Schwulenmagazin 'Revolt' herhalten. Nebenbei: in dilettantischer Übersetzung.


"Interessanten Neuigkeiten aus unseren Kreisen"

Sanremo: In Sanremo (Riviera) fand der '1. internationale Kongress für Sexualforschung' statt. GN ** berichtet anstelle von Inhalten und Themen, in prosaischer Ausführlichkeit über (linke) störende Demonstranten ("sonst erschöpften sich Argumente wie Vokabular in der Sterotypie ideologischer Phrasen")

Braunschweig: "Rund 250 Besucher nahmen ... an einer öffentlichen Veranstaltung teil, bei der der Film >Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern ... < von Rosa von Praunheim vorgeführt und diskutiert wurde ... " Wesentlich an der Veranstaltung scheint dem Verfasser die Erwähnung eines Leserbriefes an die Braunschweiger Zeitung " ... Der Briefschreiber war jedoch der Meinung, der Film sei seinerzeit zu Recht vom Fernsehen vom Programm abgesetzt worden ... "

Rotterdam: "Nach Den Haag hat nun auch Rotterdam ... einen besonderen Klub für homophile Jugendliche. Der Apollo-Klub geniesst ... das wachsende Vertrauen kommunaler und kirchlicher Instanzen ... "

Kopenhagen: "Die Organisation [Forbundet af '48] trägt ihren Namen nach dem Gründungsjahr 1948 ... Für das kleine Land dürfte die Zahl von 3.000 Mitgliedern beachtlich sein. Etwa 2.000 bis 2.5000 davon wohnen in der Hauptstadt, der Rest auf dem Lande und in anderen Städten. Es gibt ... Zweigklubs ... in Aarhus, Aalborg und Odense ... "

München: "Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie führt z.Z. eine Untersuchung an Homosexuellen durch, die die Ergebnisse einer amerikanischen Untersuchung des Testosteron-Spiegels im Blut untersuchen soll. Diese Untersuchung ... wollte nachweisen, dass Homosexuelle lediglich einen anderen Hormonspiegel hätten als Heterosexuelle ... "

Buchbesprechung "Vom Wesen und Wert der Freundschaft", Professor Ignace Lepp, Arena-Verlag Würzburg

Einen Etat für einen professionellen schwulen Nachrichtendienst hat es nie gegeben (weder bei DON, noch bei anderen schwulen Periodika). Wer immer für Aktualitäten zuständig war, sammelte Neuigkeiten, vornehmlich aus Hetero-Medien, aber auch aus Homo- und Schwulenpublikationen. Oder worauf ihn - bspw. DON-Leser - aufmerksam machten. Veröffentlicht wurde dann, was er - nach eigenem Geschmack, politischer Einstellung und eigenen Interessen - für berichtenswert hielt. Entweder wurden Nachrichten/Aktualitäten einfach abgeschrieben oder der ursprüngliche Text wurde neu formuliert oder der ursprüngliche Text wurde mit der eigenen Meinung bzw.r Kommentaren verwässert.

Diese Art der "Nachrichtenbeschaffung" betrieben u.a. die auf dieser Doppelseite permanent erwähnten GAY NEWS (z.T. auch ** GNG), ein sogenannter homosexueller Nachrichtendienst von Johannes Werres (= aus den Medien gesammelte schwule Themen).


Links: K. Ortloff (Der Hosenkauf) war ein laienhafter, aber bei den DON-Verlegern Goebel und Ferling besonders beliebter Vielschreiber von Homo-Story-Banalitäten. Als ich mich 1976 intensiver um DON zu kümmern begann konnte ich seine 'Werke' nur mit Mühe aus dem Heft verbannen.

Rechts (Bärte, Krieg und Sexualität): Die Würdigung sowie das Kurzinterview mit dem Verhaltensforscher Dr. Willhart S. Schlegel (Abb. links) stammen aus der Feder seines Freundes, Mitarbeiters und 'Propagandabeauftragten' Johannes Werres.

Dr. Schlegel, dessen Beiträge ich erst bei meiner späteren Redaktionsübernahme aus DON verbannen konnte, propagierte "...gegenüber Homosexualität und Päderastie Duldsamkeit ..." und beschäftigte sich schwerpunktmässig mit dem Zusammenhang von "Körperbautyp", Sexualität und speziell "homosexuellem Erleben". Die Zusammenhänge von "Körperbautypen", Kopfform und Rasse waren bekanntlich während der NS-Zeit eine "besonders beliebtes" Forschungsfeld.  Schlegel ist in Wikipedia nur mit seinen Büchern aufzufinden. Eine Vorstellung von Schlegels Gedankenwelt gibt ein Artikel, der am 3.4.1964 in DIE ZEIT erschien "Gesetz und Gesellschaft ächten sie" - und auch heute noch abrufbar ist.

Aus diesem Grund heisst es im DON-Eintrag bei Wikipedia " ... der nicht nur in Schwulenkreisen umstrittene Hamburger Arzt Dr. Willhart S. Schlegel ..."

Willhart Siegmar Schlegel, Pseudonyme Roger de Saint-Privat und Rolf, 1912-2001, Arzt, sexualkundlicher Autor, Dichter. (Spannender!) Auszug aus "Mann für Mann: biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum, Teil 1", LIT Verlag Münster:




DON 10/72 erscheint im Oktober 1972.

Herausgeber = Verlag bleibt nun bis Jahresende die Bifipress AG, 6000 Frankfurt 70, Postfach 700 229, und HF-Druck. Alles weitere wie DON 5/1972.


Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch? Typologische Rückschlüsse von seinem Verhalten auf seinen Typ - von Johannes Werres.

Ich zitiere (spasseshalber! von "Bibelforscher" Werres) den 10. und 11. Absatz:

" ... Aufgrund der Tatsache, dass Jesus die Qualen und Anstrengungen eines umfangreichen, Kraft und Blut kostenden Martyriums mindestens einen ganzen Tag lang hat ertragen können, ehe er starb, dass er kilometerweit ein schweres Kreuz (genauer: einen seiner beiden Balken) hat schleppen können, ohne schon vorher zu sterben, müssen wir annehmen, dass er eine starke Konstitution besass, d.h. in bezug auf den Stellenwert im Rahmen der zweiten von W. S. Schlegel entwickelten asthenisch-athletischen Variationsreihe gehörte er zweifellos dem Typ des Athleten, und nicht des Asthenikers an. Das bedeutete in sexueller Hinsicht aber auch, dass er triebstark war, also eine grosse Potenz besass ... "


Pit liebt harte Männer. Der feucht-schwüle Courths-Mahler-Erguss ist unterzeichnet mit dem Kürzel G.G., das üblicherweise für Günter Goebel steht.
"... Er atmete den herben Schweiss des muskulösen Mannes ein. 'Toll', stöhnte Peter und presste seine Lippen auf Rainers Mund. Der Mund des Boxers war leicht geöffnet. Die Zungen berührten sich. Der Graphiker liess jetzt seinen wilden Wünschen freien Lauf. Mit erregt zitternden Händen knöpfte Peter das Hemd des Boxers auf. Dicht gekräuselte Haare kamen zum Vorschein. 'Du bist schön', stöhnte Peter ... Peter merkte, wie sich der Körper des Freundes verkrampfte. Alle Muskeln verhärteten sich. Es war soweit ... "



DON war für Sie auf Rhodos ... könnte problemlos in der (natürlich heterosexuellen) 'Apothekenrundschau' erscheinen. 60% des Beitrages dürften aus einem Reiseführer o.ä. abgeschrieben worden sein.


DON 11/72 erscheint im November 1972.

Herausgeber, Redaktionsleitung und Redaktionsanschrift wie DON 10/1972.


DON will seinen Umfang um 4 Seiten und den Preis von 6,- DM um satte 33% auf 8,- DM erhöhen (der STERN kostet zu dieser Zeit 1,50 DM). Die Begründung, inkl. Selbstbeweihräucherung und Konkurrenzanrempeln (beides war/ist in schwulen Medien gang und gäbe) lautete (man beachte die journalistische Fabulierkunst des Autors):

"Endlich sind wir mal richtig zufrieden mit unserer Arbeit. Die letzte Ausgabe Nr. 10 war gut, wie wir jeden Tag gesagt und geschrieben bekommen, und auch das Novemberheft, das wir Euch heute vorlegen, muss sich nicht verstecken vor allem, was sonst noch auf dem Zeitschriftenmarkt ist ... Wir haben in der Redaktion einen stark gewachsenen Aufwand, die Druckerei will eine Erhöhung für Papier, und so weiter ... Dass wir uns von Ausgabe zu Ausgabe in Text- und Bildteil gesteigert haben (Anmerkung: man beachte das Qualitätsfoto der gegenüberliegenden Farbseite), werdet Ihr uns sicher zuerkennen, und dieser Qualitätsstand muss gehalten, wenn möglich noch erhöht werden, das würden wir Euch versprechen! ... wir Euch um weitere Treue und Freundschaft bitten, auch wenn DON mal eine Packung Zigaretten mehr kosten sollte ..."


Details zu Dr. Schlegel siehe DON 9/1972. Aus der Tatsache, dass in dem ohnehin textarmen Magazin (DON 8/1972 = 52 Seiten, davon 40 Seiten Fotos) die Bisexualität mit schöner Regelmässigkeit thematisiert wird - hier über fast 2 Seiten - könnte man den Schluss ziehen, dass der Verleger und Redaktionsleiter Günter Goebel neben Homosexuellen auch bisexuelle Männer als Leser gewinnen wollte.

Günter Goebel - wie schon früher angemerkt - war zwar bisexuell (zwei seiner Ehefrauen hatte ich kennengelernt), allerdings ein "ungeouteter" Bisexueller,  der seine Jungmännerbegleitungen grundsätzlich als "Neffen" vorstellte und mit homosexuellen Neigungen höchst ungerne in Verbindung gebracht werden wollte. Das allerdings war nicht der Grund für den bisexuellen Schwerpunkt im Heft.

Goebel selbst, der sich auch als Journalist und Redakteur bezeichnete, hatte zu homosexuellen Themen nicht die geringste Beziehung. Ausser zu Johannes Werres und dessen Freund hatte er auch kaum Verbindungen zu Homosexuellenkreisen, schon gar nicht zu Homosexuellen, die als qualifizierte Autoren für ein schwules Magazin in Frage kamen. Wobei man allerdings einräumen muss, dass  qualifizierte (schwule) Autoren, von Redakteuren ganz zu schweigen, zu jener Zeit vor einer Mitarbeit an einer Homo-Zeitschrift noch (weit) zurückschreckten. Daraus resultiert auch DONs damalige Konzeptionslosigkeit. Auf die Gründe für Goebels - und folgend Henry Ferlings - Engagement bei DON werde ich später noch ausführlich zu sprechen kommen.


Hier eine weitere Doppelseite als typisches Beispiel dafür, wie man Seiten "zu füllen" pflegte. Bei der linken Seite handelte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um eine bezahlte Anzeige vom 'Cabinet Erotica'.


Von 1969 bis 1974 gab es die sozial-liberale Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt. Interessant an der "Schutzaltersenkung" ist weniger deren Billigung durch CDU/CSU (es handelte sich keineswegs um ein homospezifisches Problem, vielmehr ging es um die längst fällige allgemeine Schutzaltersenkung), sondern der Verweis von CDU-Rollmann auf den "Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechtes" durch die sozial-liberale Bundesregierung: ... eine weitere Reform des § 175 ist nicht vorgesehen ...


DON 12/72 erscheint im Dezember 1972.

Herausgeber, Redaktionsleitung und Redaktionsanschrift wie DON 10/1972.

Auf dem - ausnahmsweise - relativ attraktiven "Titelboy" wird die geistige Inhaltsarmut des Magazins herausgestellt: Spitzenbilder, Groß-Farbbild, Viel zu lesen. Und auf der Rückseite der Nummer 11/1972 wieder ein an Peinlichkeit schwer zu überbietendes Foto.


Bei dem Autor Richard Lang des Beitrags "Das Kind muss einen Namen haben" handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Pseudonym. Dieser Name, soweit ich recherchierte, taucht nur dieses eine Mal in DON auf. Ich tippe auf Johannes Werres (?), darauf deuten (die pastorale) Diktion und (die anti-linke) Tendenz des Artikels. Wohl handelt es sich um eine dezidierte Analyse der verschiedenen Bezeichnungen für Homosexuelle, andererseits ist dies geschickt mit einer Agitation gegen "ausgesprochen linksgerichtete Gruppen" verwoben. " ... Diejenigen, die sauber und anständig sein wollen, die Ethik und Niveau in ihr Leben bringen wollen, halten das Wort [schwul] für einen Schlag in das Gesicht jedweden ehrlichen Wollens und Bemühens ..."

Richtig ist, dass geschätzte 95% aller Homosexuellen das Wort schwul zu diesem Zeitpunkt heftig ablehnte. Auch ich hatte jahrelang grosse Probleme damit. Das rührte nicht zuletzt daher, dass die Wortschöpfer, und das waren tatsächlich linke Schwulengruppen, nicht die geringste Chance hatten, Sinn und Zweck ihrer Wortwahl zu erklären und zu verbreiten. Typisch dafür steht der o.g. Beitrag, in dem das Wort schwul zwar verdammt, aber jegliche Begründung seiner Geburtshelfer verschwiegen wird. In diesem Zusammenhang sei an den schwarzen US-Bürgerrechtler Stokely Carmichael erinnert, der 1966 den Begriff "Black Power" prägte und an den in Folge aufkommenden Begriff "Black Is Beautiful". Bis zu diesem Zeitpunkt galt "black" in den USA als Schimpfwort, während die Bürgerbewegung der Afroamerikaner das 'beleidigende Wort' mit Stolz und bewusst als Auszeichnung gegenüber den Weissen benutzte.



Über zweieinhalb Jahrzehnte lang bildeten Herz-Schmerz-Jammer-Leserbriefe, wie hier der erste von E. Sch., die mit Abstand größte Zahl von Zuschriften an die DON-Redaktion: Suche einen wirklich wahren und treuen Freund, Kinderheim, Schlosserlehre, Fluchtversuch aus der DDR, Einsamkeit, Gasvergiftung...

Auch der letzte Brief ist sehr typisch: "Lob zur Gestaltung! Ließ andere Zeitschriften ganz fallen. Politische Beiträge lese ich in jder Zeitung. Aber nun zur Kritik. Eure Modelle sollten nicht auf fast allen Bildern so sehr posieren! Und dann laßt Bilder weg, denen man schon von weitem die Tunte ansieht! Davon laufen schon genug in natura rum."


Rico ist das Pseudonym von Heinz Liehr (siehe Lebenspartner von Johannes Werres). Das Paar lebte seit 1968 im eleganten Kronberg im Taunus (bei Frankfurt/Main). Rico war ein emsiger Homogeschichtenschreiber.