Freitag, 28. März 2014

DON - The German Gay Magazine 1983 (Heft 9).


DON 9/1983 erscheint im September 1983. Der Verlag Henry Ferling in Darmstadt ist wieder die für alles zuständige Anschrift. Den Inhalt gestaltet ein "Autorenteam".


Schwul & seriös. Wer ist das? "1982 erschien ein neues Magazin am schwulen Pressehimmel - TORSO. Man durfte gespannt sein, denn man werde alles anders und viel besser machen, schrieb TORSO ... Bedenklich stimmte von Anfang an, dass Michael Föster [Verleger und Chefredakteur in einer Person] ... so vollmundig Ansprüche formulierte. Unter anderem, TORSO sei 'schwul und seriös'. Betroffen machte, dass er sich wiederholt mit pauschaler Geringschätzung über alles ausliess, was jemals vor TORSO erschienen und was neben TORSO auf dem Markt ist ... er hatte nicht bedacht, dass einer, der die Latte so hoch anlegt, daran auch gemessen wird ... "

Anmerkung: TORSO wurde ursprünglich von Michael Föster, Theo Düppe, Bruno Gmünder und Christian von Maltzahn ins Leben gerufen, erschien jedoch niemals im Bruno Gmünder Verlag, was in der gmünderschen Verlagsgeschichte (Wikipedia) nach wie vor fälschlich behauptet wird. Im Dezember 1983 erschien, nach nur 16 Ausgaben, die letzte TORSO-Nummer.

Detaillierte Recherchen zu dieser kurzlebigen schwulen Publikation und ihrer 'Erfinder' finden sich im Blog brunoleaks (Stichworte TORSO, Michael Föster)


Schwules Sexualleben in den sog. Klappen (d.h. in öffentlichen Pissoirs, WCs, Urinalen...) hat mich drei Jahrzehnte lang auf die Palme gebracht, weshalb ich hier - zwischen Artikel-Vorspann und Textbeginn - folgende Sechs-Punkt-Zeilen eingeschoben habe:  
"Der Autor entschuldigt sich von vornherein für die Vielzahl deftiger Ausdrücke in diesem Beitrag. Er ist der Ansicht, dass man diesem anrüchigen Kapitel schwulen Verhaltens nicht mit vornehmen Formulierungen gerecht werden kann."

"Solange Klappen-Kontakte als etwas 'Normales' gelten, solange Pissoir- und Fäkalbudenadressen in schwulen Reiseführern aufgelistet werden und Schwulengruppen sich für das schwanzgeile Klappenpublikum einsetzen ... solange werden Homosexuelle von der Gesellschaft in eine perverse Ecke geschoben. Alle Homosexuellen! Auf Kosten jener verschwindend kleinen Minderheit, die sich vom Urin- und Fäkaldunst öffentlicher Aborte angezogen fühlt ... "

" ... Guido Vael, vertrat jahrelang den VSG, eine Schwulengruppe, die allem Anschein nach ein sehr intimes Verhältnis zum Toilettensex zu haben scheint. Eben dieser Verein hat schon mehrfach in der Münchner Öffentlichkeit gegen gewisse Polizeipraktiken von sich reden gemacht. Zum Beispiel, wenn Beamte auf ihren Klappenkontrollfahrten schwule Pinkelbrüder verwarnten. Wohlgemerkt, der VSG vertrat - öffentlich - die Interessen schwulen Fäkalbudenbesucher. Und auch in dem jüngsten Fall zieht man nicht etwa beschämt den Kopf ein, sondern macht aus den 'Stachus-Schwulen' auch noch bedauernswerte Verfolgte, indem man sagt, solche CSU-Ausdrücke bewegten sich >an der Grenze zur Volksverhetzung< ... "

Anmerkung: Dieser dreiseitige Klappensex-Artikel führte zu einer heftigen Kontroverse zwischen DON (in der Person des Autors Jens M. A. Reimer) und dem VSG. Bei den fünf abgebildeten 'Häuschen' handelt es sich um die seinerzeit von Klappenschwulen meistfrequentierten Münchner Bedürfnisanstalten.


AIDS: "Nach Auffassung von Bundesgesundheitsminister Heiner Geißler stellt AIDS keine Gefahr für die Empfänger von Blutkonserven des Deutschen Roten Kreuzes dar ** ... Die Bedeutung des Blutspendens überwiege bei weitem das 'minimale Restrisiko', das für den Empfänger von Bluttransfusionen bestünde ... Geißler bat die Homosexuellen zwar um eine 'gewisse Zurückhaltung', aber Zustände, wie sie zur Zeit in Amerika herrschten, kenne man hier noch nicht ... "

** Anmerkung: Eine typische Politiker-Sprechblase, die sich in Folge als tödlicher Unsinn herausstellen sollte.

Diskussionsverbot für Homosexualität: "Der Präsident der Giessener Justus-Liebig-Universität, Prof. Karl Alewell, verbot dem Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) zwei Diskussionsveranstaltungen zum Thema Homosexualität ... Ein solches Thema ... falle nicht in den Aufgabenbereich der Studentenschaft ... Eine zweite Podiumsdiskussion ... verbat sich Prof. Karl Alewell, weil der Veranstaltungstag (Fronleichnam) ein gesetzlich geschützter kirchlicher Feiertag sei ... "

Die König-Ludwig-Richard-Wagner-Karikatur ist von dem bekannten Cartoonisten Rudi Hurzlmeier, der zur gleichen Zeit auch für ADAM Karikaturen zeichnete.


Neben Christa Meves und Gerhard Naujokat profilierte sich Monsignore Prof. phil. et theol. Georg Siegmund (1903 - 1989) in den Nachkriegsjahrzehnten als einer der führenden katholischen Homophoben, der als frommer Christenmensch gegen Schwule (soziale Infektion, Perverse, widernatürliche Unzucht usa.) hetzte was das Zeug hielt und so für eine Stabilisierung des homophoben Fundaments der römisch-katholischen Kirche - und damit der westdeutschen Gesellschaft ingesamt - verantwortlich ist. Mit 24 promovierte Siegmund zum Doktor der Philosophie, mit 25 erhielt er die Priesterweihe.

Siemund: "Wer es unternimmt, das 'Tabu Homosexualität' abzubauen, reisst damit eine wichtige Barriere der Menschlichkeit nieder und wird mitschuldig an der Erkrankung der Gesellschaft."

DER SPIEGEL 50/1980 erwähnt Siegmund als christlichen Verteidiger der Teufelsaustreibung in Zusammenhang mit einem dadurch ausgelösten Todesfall.


" ... In Erinnerung an 'Stonewall' begehen Lesbierinnen und Schwule alljährlich ... den 'Christopher Street Liberation Day' ... 1979 demonstrierten bereits 125.000 Menschen in New York ... " DON veröffentlicht vom 'Gay & Lesbian Pride March' 1983 4 Seiten Momentaufnahmen.


"Woche für Woche schmiert sich ein gewisser Robert N. Tanner in 'Wochenend' durch die schwulen Sündenpfuhle, aus denen die 'Lustseuche' AIDS herausdampft ... Seit Monaten schon wälzt das überaus schwulenfeindliche Skandalblatt 'Wochenend' mit einer kaum zu überbietenden Perfidität die >Gefahr durch die neue tödliche Lustseuche<, AIDS ... aus ..."

Das Farbfoto stammt von Jens M. A. Reimer


"Sind Schwulengruppe nur eine Fortsetzung der alten Sub-Mentalität und Sexfixiertheit unter Homosexuellen? Oder sind auch andere Ansätze denkbar? Werner und Ernst von der Gruppe HALT ** zeigen am Beispiel des Münchner Schwulenvereins VSG auf, warum junge Homosexuelle von diesem Szenetreiben angewidert sind. Zugleich diskutieren sie Möglichkeiten, wie schwule Emanzipation, Engagement und Sexualität in neue Bahnen gelenkt werden können ... "

In diesem Zwiegespräch rechnen Werner und Ernst knüppelhart mit dem VSG ab.

** Erläuterung: 1982 gab es interne Querelen zwischen der Führung und den jüngeren Mitgliedern im VSG. Der Vorstand schloss die Theater- und Jugendgruppe nach Kritik aus dem Verein aus. Diese gründeten als Reaktion eine eigene Gruppe, die HALT (Homosexuelle Alternative),


"Eine interessante Mischung war es schon, was sich da zum 'Forum Literatur und Homosexualität' ... im Waldschlösschen bei Göttingen eingefunden hatte. Das reichte vom sehr preussischen Vortragsreisenden von Wangenheim bis zum pfiffig-bayerischen Dr. Gustl Angstmann (alter Haidhauser Arbeiteradel). Dieser noch junge Münchner hatte in den siebziger Jahren die nun auch schon wieder legendäre Homo-Teestube am Glockenbach organisiert. Mittlerweile ist Angstmann frischgebackener Autor ... "

Ein einmalig grossartiger Beitrag von DON-Autor Wenzel Böhmak (= Pseudonym) über das 'Forum', über den Verleger Egmont Fassbinder (Vetter des grossen Rainer Werner Fassbinder) vom rosa Winkel Verlag und einem Abstecher Bömaks ins schwule Berlin.

Neben Böhmak, Fassbinder und dem Autor Wolfgang von Wangenheim auch in Göttingen anwesend: Prof. Dr. Popp von der Gesamthochschule Siegen, Autor Ullrich-Enderwitz, das Verleger-Paar Bruno Gmünder und Christian von Maltzahn, Raoul Hübner ("Blickwechsel - Mit Schwulen in Barcelona") ...