Freitag, 11. Juli 2014

Gerd Talis, richtig: Gerhard Friede, DON-Akteur


Hinter dem Pseudonym Gerd Talis verbarg er vor der gesamten schwulen Branche - permanent und konsequent - seine Identität. Tatsächlich heisst/hiess (?) der Journalist, Verleger und Sex-Shop-Betreiber in der Heidelberger Dreikönigstrasse 2, Tel. 06221 - 13704: Gerhard Friede, geboren am 19. Februar 1934.



In DON 1/1980 stellt sich ein Gerd Talis (Foto DON 9/1982) als der neue 'Magazin-Macher' vor:

"  ... Vor zehn  Jahren arbeitete ich als Südeuropa-Korrespondent für Presse und Rundfunk in Spanien, als ich u.a. von dem mir bis dahin unbekannten 'Nachseptember-Magazin' [= DU & ICH] um einen Bericht über 'Warme Orte an Europas Südküste' gebeten wurde. Bei nächster Gelegenheit schaute ich mir die Redaktion davon in Deutschland an - um bald darauf mit dem gesamten Team nach Köln überzusiedeln; wir bereiteten von dort aus die Fortführung eines Magazins vor, das den Namen 'Sonny' trug. 'Sonny' aber ist der Vorgänger Ihres DON ... Mir persönlich ging es damals jedoch um etwas anderes: Die Homosexuellen in Deutschland sollten durch ein Nachrichtenblatt regelmässig über emanzipatorische Vorgänge in aller Welt unterrichtet, dadurch den sogenannten Heterosexuellen gleichzeitig die Furcht vor der (eigenen) Homosexualität genommen werden: 1972 entstand das Monatsblatt 'gay journal' ... Womit wir beim Programm wären. Wir möchten DON zu einem wirklichen Forum der Homosexuellen machen ... Tausend Dinge bewegen uns, mit denen keiner alleine fertig wird. Artikulieren wir uns also, kommen wir zum Gespräch! Im DON. Wir brauchen diese 'Arbeit an uns' ... Ihr Gerd Talis"

In dieser Vorstellung gibt Gerd Talis kaum Privates oder Berufliches von sich preis. Und bis heute weiss ich über ihn nur, dass er u.a. in Karlsruhe einen Sex-Shop betrieb. Oft las ich sein zwar ungemein laienhaft produziertes gay journal, in dem ich jedoch seine 'Schreibe' ebenso gut fand, wie seine Gedanken, die Ausgewogenheit seiner Argumente und sein schwules Engagement. Aus diesen Gründen empfahl ich ihn Henry Ferling als meinen Nachfolger. Bereits Anfang 1979 hatte ich dem DON-Verleger gesagt, dass ich (Jens M. A. Reimer) die DON-Redaktion spätestens zum Jahresende abgeben müsse, da mir meine zahllosen 'Jobs' über den Kopf wuchsen.

Am 10. Oktober 1979 transportierte ich persönlich die kompletten Redaktionsunterlagen zu einem gewissen Gerd Talis nach Heidelberg. Ich erinnere mich nur, dass das Treffen kurz, knapp, kühl und erstaunlich unpersönlich war.

Die (einzige deutsche) schwule Zeitung gay journal erschien monatlich zwischen Februar 1972 und September 1987, also auch in jenen drei Jahren, in denen Gerd Talis das DON von A bis Z machte; d.h. Redaktion, Beiträge, Umbruch, Bildauswahl, Autoren- und Fotografen-Kontakte usw.

Abb. oben die Null-Nummer - unten letzte die Ausgabe, hier steht "12. Jahrgang", obwohl inzwischen 16 Jahre vergangen sind.

Interessant ist das Impressum, denn die Zeitung erschien im pan publications Lothar Gassel Verlag und Vertrieb, später nur Pan Verlag. Redaktion: Gerd Talis, Lothar Gassel (???), Georg Rotheisen (= Pseudonym von Erich Lifka - Link zu DON 5/1980), Nathan Schalom (???), Urs Kent (= wahrscheinlich Johannes Werres). Agenturen: GP (gaypress) [= Gerd Talis] und GNG (Gay News Germany) [= Johannes Werres]. Letzterer war auch regelmässig mit persönlich signierten Kommentaren, Leserbriefen u.a. im Blatt vertreten.


Es gibt Stimmen, die vermuten, Gerd Talis und Lothar Gassel seien damals ein und dieselbe "Person" gewesen (???).

Auch unter der Heidelberger Talis-Adresse Dreikönigstrasse 2 gab es einen "Gay Shop", der regelmässig im gay journal Anzeigen schaltete.

Welche Weltbedeutung Talis seiner kleinen Zeitung beimass, zeigt sich in dieser immer wieder im Blatt erschienenen halbseitigen Anzeige, wo er sich nicht genierte, das gay journal mit seinerzeit führenden Schwulenzeitungen - wie Advocate - zu vergleichen.

Der sog. Gerd Talis begann seine DON-Tätigkeit mit der Januar-Ausgabe 1980. Schon im zweiten Halbjahr 1980 begann die Verkaufsauflage spürbar abzubröckeln. In den Folgejahren rutschte sie kontinuierlich weiter ab. Beginnend im Jahr 1981 entwickelte sich zwischen dem Verleger Ferling und dem Blattmacher Talis ein heftiger Briefwechselstreit über haufenweis Probleme (ich besitze davon alle Kopien, da ich mit Ferling engen Kontakt pflegte).

Der sog. Talis war ein hervorragender Journalist, aber vom Blattmachen hatte er null Ahnung. Vor allen Dingen verschwendete er nicht den geringsten Gedanken an die Erwartungen, Bedürfnisse und Interessen der Leser/Kunden/Käufer. Sein o.g. 'Programm': "...Wir möchten DON zu einem wirklichen Forum der Homosexuellen machen ..." interessierte die Schwulen herzlich wenig.

Im dritten Talis-Jahr, nachdem die Verkaufsauflage um 40% auf knapp 7.000 Exemplare abgesackt war, zog Verleger Henry Ferling endlich die Reissleine. Es war eine bittere Trennung.

Abb. Im Juli 1980 bei der Veranstaltung "Parteien auf dem Prüfstand" in der Bonner Beethovenhalle. Von links: Hans-Peter Reichelt (him applaus), Wolfgang Selitsch (der eigentlich Fotograf war, hier Chefredakteur DU & ICH) und der sog. Gerd Talis (DON und gay journal)

Gerd Talis war einer von mehreren Mitautoren in dem von Joachim S. Hohmann herausgegebenen Buch "Pädophile heute", erschienen 1980 im Foerster Verlag.

Auch hat Gerd Talis "Homo-Literatur" geschrieben: "Heisser Sommer" (siehe Personalie am Anfang dieses Blogs) erschien 1976 im (eigenen???) Pan-Verlag und gehört offenbar zu einer Buchreihe "Homo-book-hit No. 4"

Im Verzeichnis von "Deutsche National Bibliothek" findet sich sein Name als Übersetzer bei  dem Sex-Roman "Heisser Saft für feurige Lenden", von Wade Graham, Star-Verlag 1972, in der Reihe "Jet-Sex, Nr. 2"